Ein Kollege nimmt einfach mal ein Jahr Auszeit, um die Welt zu bereisen. Und an seinem letzten Arbeitstag entschieden wir spontan, dass wir uns nach Feierabend ein paar Bier ins Gesicht schütten.
Also stiegen wir in die S19 nach Ehrenfeld, in der wir auf einen „leeren“ Viererplatz zusteuerten. Dort sahen/fanden wir ein herren-/damen- und diversloses Handy.
Wir schauten uns fragend um, aber es schien niemanden zu jucken bzw. zu fehlen.
So setzten wir uns mal und probierten es zu entsperren, was kein Problem darstellte. Problematischer war die Bedienung. Wenn man ein verzogenes iPhone-Kind ist, tut man sich mit so rudimentär entwickelter, minderwertiger Hard- und Software einfach schwer.
Irgendwie kam ich dann in eine App, in der Kontakte aufgelistet waren. War vermutlich die Telefonhistorie, denn als ich auf den letzten Kontakt tippte, hatte ich die Optionen „Anruf“ oder „SMS senden“ (was ja eigentlich Bullshit ist, da SMS ja „Short Message Service“ heißt, und man somit „SMS nutzt“, oder eine „SM sendet“, egal). Ich entschied mich für die SMS-Option und schrieb, dass ich das Handy grad gefunden habe und es an der Polizeistation in Ehrenfeld abgeben werde.
Allerdings klappte der Versand aus irgendwelchen Gründen nicht.
Gut, dann muss ich es irgendwo anders schreiben. Whatsapp hat der – im Gegensatz zu mir – bestimmt installiert. Aber krieg das mal hin, die Apps zu schließen oder wechseln.
Ich hantierte mit dem Scheißteil rum, als plötzlich ein Anruf einging.
Ich diskutierte kurz mit dem Kollegen und entschied mich dann, dran zu gehen.
Wie fast erwartet war tatsächlich der Besitzer dran, der ähnlich schlecht Deutsch sprach, wie der Kühlschrank-Typ vor einigen Tagen.
„Hallo?“
„Hallo.“
„Ja?“
„Mein Handy.“
„Ja, ich hab’s gefunden und gebe es gleich in Ehrenfeld an der Polizeistation ab.“
„Hauptbahnhof?“
„Nein, in Ehrenfeld. Bei der Polizei“.
„Polizei?“
„Ja, in Ehrenfeld.“
„Hauptbahnhof?“
„Nein, in Ehrenfeld!“
[Ich merkte, dass ich schon wieder lauter wurde.]
„Geht Hauptbahnhof?“
„Wann?“
„30 Minuten.“
„Nein, ist mir zu spät.“ [Ich verheimlichte ihm, dass wir keine Zeit zu verlieren hatten, weil wir uns die Birne zuschütten wollten. Außerdem sind die Bier am Hauptbahnhof am Kiosk teurer als in Ehrenfeld.]
„Deutz?“
[Was zum Geier will er in Deutz?]
„EH-REN-FELD!“
„Ok.“
Anscheinend bemerkte er selber, dass das Gespräch ziemlich sinnlos war und beendete selbiges.
Da ich ja grade dabei war, die Nachricht an irgendeinen deutschsprachigen Kontakt zu schicken, suchte ich eben Whatsapp, fand es und da war tatsächlich eine Gruppe, die sich „Klasse 2c/ Drachenklasse“ nannte.
Super, dachte ich, und tippte den Text erneut, da ich es nicht schaffte, den vom SMS rüber zu kopieren.
Kurz nachdem ich die Mitteilung abschickte, verließ irgendwer die Gruppe.
Auch hatte schon jemand anderes die Gruppe zuvor verlassen, nachdem sie von „1c“ auf „2c“ umbenannt wurde.
Waren sicher die Eltern der Kinder, die es nicht in die zweite Klasse geschafft hatten. Vermutlich in Deutsch gescheitert.
Wurscht, ich hab meine Schuldigkeit getan, leitete die Nachricht noch an den meist genutzten Kontakt weiter und dann waren wir schon in Ehrenfeld.
Dort gab ich das Handy quasi ohne besondere Bürokratie ab und wir genehmigten uns dann etliche Biere am Kiosk.
Der weitere Abend war dann für unsere Verhältnisse unspektakulär.
Zwei Typen, völlig zugedröhnt, waren ein paar Meter entfernt. Der eine saß auf der Brüstung beim Abgang zur Stadtbahn und behauptete unter ständigem debilen Grinsen, dass er fliegen könne – aber nur, wenn er Bier bezahlt bekommt. Danach hat er sich einen gedreht.
Der andere lief wortlos mit einem Einkaufswagen auf und ab.
Als wir wegen Starkregens den Standort ein paar Meter unter eine Unterführung verlegten bzw. dann auf ein öffentliches Dixi-Klo schiffen gingen, sahen wir im Pissoir den vermeintlichen Grund des Verhaltens der beiden: Alufolien mit verbranntem Heroin. Auch gut.
Der Typ mit dem Einkaufswagen kam kurz später auch wieder bei uns vorbei.
Ein weiterer Sandler beschimpfte einen anderen Penner als Betrüger, dass dieser gar nicht wirklich obdachlos sei. Denn er, der Beschimpfer, sei der wahre Obdachlose.
Dann kam noch ein geschminkter Typ mit Titten und Rock entlang – aber das ist in dieser Gegend nichts Außergewöhnliches.
Und so verabschiedeten wir uns nach ein paar gemütlichen Stunden leicht angeduselt und werden uns in einigen Tagen zu seiner offiziellen Verabschiedung mal so richtig besaufen. Und nicht so halbherzig wie sonst immer.
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